Ossi – Migranten

Erzählungen von DDR – Migranten


Fortsetzung – Karin aus Leipzig

Karin muss die Familie nicht holen. Martha, Mutters Schwester, will mit ihrem Mann, Erhard, in die Alpen fahren. Nicht zu weit weg von Karin. Das läge auf dem Weg.

Karin richtet ihr Zimmer her. Erna, die Chefin, zeigt ihr die Zustellbetten. Loisl, der Wirt, baut sie zusammen.

„Die sind aus gutem Lärchenholz“, schwärmt er. Dabei vergisst er nicht, Karins Hintern innig zu streicheln.

„Die Betten können wir mal ausprobieren“, bietet er an. Das Angebot wird harsch unterbrochen von Erna.

„Nimm dich zusammen, du Schwein.“

Loisl wird knall Rot und verkriecht sich förmlich.

„Ich habe Haxen im Ofen“, sagt Erna.

„Die kannst du uns mal ausbreiten“, fügt sie lachend hinzu. Karin lacht mit.

„Meine Familie kommt heute.“

„Das ist gut. Wir haben viele zu tun. Eine Wandergruppe hat sich angemeldet. Fünfzig Leute“.

„Heute?“

„Nein. Übermorgen.“

„Dann haben wir genug Zeit zum Einarbeiten.“

„Ideal“, sagt Erna.

„Rolf kann gleich als Knecht arbeiten. Egon auch. Wir haben Vieh. Das muss getrieben und umgesetzt werden. Futter ist zu schneiden. Kann Rolf oder Egon mit dem Traktor fahren?“

„Natürlich. Beide.“

„Bei uns muss das etwas trainiert werden.“

„Ich denke, Beide müssen etwas mit den technischen Anbauten trainieren.“

„Lutz fehlt uns. Der hat das immer getan für den Papa. Er studiert gerade. In den Semesterferien ist er zu Hause.“

Erna tischt auf. Sie möchte die Wirtschaftshilfen motivieren. Die Jause würde selbst Hotelgäste neidisch machen. Es fehlt nichts. Rolf schlägt zu, als hätte er die vergangenen Wochen nichts gegessen.

„Das gibt es zu Hause nicht“, scherzt Loisl.

„Schon. Auch in unserer Familie“, antwortet Rolf mit vollem Mund.

„Ja? Sind die auch Bauern?“

„Die kommen ja in Kürze. Vielleicht bringen sie etwas mit.“

Die Spannung scheint zu wachsen.

„Gab es denn dort keinen Platz für euch? Die Familie braucht doch sicher auch Hilfe.“

„Die Familie ist in der Genossenschaft. Die haben ihre Genossenschaft nur umbenannt und etwas umstrukturiert.“

„Da bekommen sie doch staatliche Stützung?“

„Nicht in der besetzten DDR.“

„Alles klar.“



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