Ossi – Migranten

Erzählungen von DDR – und anderen Migranten in Europa


Bernd der Bergmann

„Sie sind übrig“, sagte die freundliche Angestellte des neu gegründeten Arbeitsamtes.

„Und sie?“

„Ich bin hier in Ausbildung.“

„Aaah, Beamtin. Übernommen?“

„Noch nicht.“

„Dann werden sie auch privatisiert?“

„Das glaube ich nicht. Das hat uns Keiner gesagt.“

„Tut mir Leid. Mir hat das auch Keiner gesagt.“

„Wir haben für sie eine Umschulung vorgesehen.“

„Welche?“

„Ja Sie sind Ingenieur für Bergbau. Wir hätten eine Tätigkeit im Straßen – und Tunnelbau für sie.“

„Auch als Ingenieur?“

„Als Praktikant.“

„Was verdiene ich dort?“

„Kostenlose Übernachtung, Essen und etwas Taschengeld.“

„Sie meinen, Lehrlingsgehalt erste Klasse?“

„So in Etwa.“

„Wie lange soll das so gehen?“

„Als Ingenieur in Ausbildung? Zwei Jahre.“

„Wer zahlt dann meine Miete, die Nebenkosten und die Ernährung meiner Familie samt Enkel?“

„Wir nicht. Das macht ein anderes Amt.“

„Ja. Aber ich bin nicht hier um das zu beantragen. Ich bin ja in Ausbildung vor Ort.“

„Sie haben doch Familienangehörige.“

„Habe ich das richtig verstanden? Meine Familie arbeitet freiberuflich daran, auf Ämtern ihren Lebensunterhalt zu erbetteln?“

„Das ist ziemlich kraß ausgedrückt. Sie könnten ja auch arbeiten gehen.“

„Auch als Praktikant? Meine Frau ist gelernte Krankenschwester – Abteilungsleiterin. Arbeitslos. Ehemals SED – Genossin. Sie bekommt nicht mal Arbeitslosengeld. Ihren Platz hat jetzt eine rumänische Praktikantin.“

„Praktika für Krankenschwestern haben wir auch zu bieten.“

„Ja gut. Aber wer steht dann für uns Schlange auf dem Sozialamt, um Hartz zu beantragen? Sie wissen doch, was das für zweihundert – seitige Anträge sind.“

„Ja zu gut.“

Das Telefon klingelt. Die Praktikantin geht ran.

„Frau Gundula. Bitte tauschen sie sich mit unseren Kunden nicht über persönliche Befangenheiten aus. Das ist nicht ihre Arbeit.“

„Gut. Verstanden. Aber…“

Das Telefonat ist beendet.

„Wir werden hier wohl abgehört? Wird das aufgenommen?“

„Nein. Aber hier ist ein Dokument, das sie bitte unterschreiben müssen.“

Bernd überfliegt das.

„Hier steht, ich bin mit der Überwachung einverstanden. Und das soll ich Unterschreiben?“

„Das ist doch ganz normal und absolut unbedeutend. Ohne ihre Unterschrift, gibt’s kein Geld.“

„Und dann steht hier noch: sie sind mein Arbeitsvermittler und ich soll nehmen, was sie mir anbieten.“

„Ja. So ist das jetzt.“



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