Karin – Abschied in Südtirol

Karin scheint das zu gefallen. Sie hat bei Erna auf der Alm entsprechende Erfahrungen gesammelt. Wohl eher als Hingabe für den Erhalt ihres Arbeitsplatzes. Wie auch in Bayern.

Auf dem Zimmer packen Beide gemeinsam Karins Sachen in den Schrank. Agnes bewundert Karins Unterwäsche. Die hat ihr der bayrische Wirt geschenkt. Offensichtlich hat der sich an der Elastik – Auswahl etwas gestört. Bei der Auflösung der Firma Elastik aus Werdau, hat Egon reichlich eingekauft für Helga und Karin. Er kannte den Chef persönlich von gemeinsamen Einsätzen in der regionalen Arbeiterkampfgruppe. Die wurde immer zu Rettungs- – und Katastropheneinsätzen geschickt. Die Kampfgruppen verfügten über die benötigte Ausbildung und Technik.

„Wir legen uns immer etwas Schlafen in der Zimmerstunde“, sagt Agnes. „Der Doppeldienst geht oft bis in die Nacht.“

Und schon steht Agnes im Evakleid neben Karin. Eine wunderschöne junge Frau.

„Willst du mit duschen?“

Karin will nicht unbedingt Nein sagen. Nach dem Auskleiden bekommt sie aber sofort Komplimente. Die erwidert sie natürlich. Der Einritt in die Gruppe scheint geschafft.

Die Zimmerstunde ist schnell vorbei. Halb Fünf klingelt der Wecker.

„Schau dir genau den Abendservice an. Andreas sagt dir, was zu tun ist.“

Kaum sind die Zwei im Service, kommt Andreas. Er erklärt Karin, wie der Service bei den fünf Gängen des Menüs funktioniert. Zunächst soll sie das Salatbuffet betreuen. Das kennt Karin aus Österreich. In der DDR war die Pflege des Salatbuffets, Bestandteil der Grundausbildung.

Der Abend geht schleppend vorüber. Die Gäste kommen in zwei Etappen. Manche sehr zeitig. Sehr Viele kommen kurz vor Ende der Mahlzeit. Die Angestellten werden damit in Überstunden gezwungen. Die natürlich nicht bezahlt werden. Weder von den Gästen noch vom Chef.

Im Personalzimmer wiederholt sich die Prozedur der Zimmerstunde. Mit einem Unterschied. Agnes macht sich frisch. Sie möchte noch in die Stadt gehen. Karin fühlt sich dafür zu müde. Sie sagt ab.

Nach zehn Tagen ruft der Chef – Karin in sein Büro.

„Gefällt es dir bei uns?“

„Eigentlich schon. Nur das Geld ist mir zu wenig. Ich muss eine ganze Familie versorgen. Papa, Mama und meinen Bruder.“

„Haben die zu Hause keine Arbeit? Ich lese Leipzig in deinen Unterlagen.“

„Mein Papa und meine Mama, haben den falschen Lebenslauf. Mein Bruder ist Bergmann. Für den gibt es keine Arbeit mehr.“

Karin versucht mit Jammern, etwas mehr Lohn zu erbetteln. Agnes hat ihr das geraten.

„Bei mir hat das geholfen“, sagte sie zu Karin.

„Hast du das mit oder ohne Unterwäsche vorgetragen?“

„Unterwäsche? Die habe ich seit ich hier bin nicht mehr angezogen. Das braucht zu viel Zeit bei Verhandlungen. Investiere einfach in mehr Parfüm.“

Nach vierzehn Tagen will der Chef den Vertrag abschließen.

„Ihre Leistungen sind recht gut. Ich gebe ihnen fünfzehn Hundert Netto.“

Das wäre ein Drittel ihres Gehaltes aus Österreich. Mit Trinkgeld.

„Ich muss leider absagen. Mein Vater ist krank geworden. Ich muss nach Hause.“

Der Chef gibt ihr etwas Geld. Karin erwartet einen halben Monatslohn. Der Chef legt Etwas oben drauf. „Trinkgeld“, sagt er. Er glaubt, damit kann er Karin überreden zu bleiben.

„Kommst du wieder?“

„Ich versuche mein Bestes.“

„Ich halte dir ein Plätzchen warm.“

Bei dem Spruch, streichen seine Augen über Karins Figur. Die scheint er besonders zu bewundern.

„Sie passen zu uns.“

Karin weiß nicht, wie er das meint.

„Ich melde mich.“

Agnes ist etwas traurig.

„Wo finde ich dich?“

Karin ist eigentlich kein Freund der Pflege von flüchtigen Bekanntschaften. Beim Aufbau von Freundschaften, tut sie sich schwer. Sie hat zu viele Enttäuschungen erlebt dabei.

„Ich sage es dir ehrlich. Für dreihundert Stunden Arbeit im Monat, ist mir das Gehalt zu klein. Ich muss eine Familie versorgen.“

Agnes küsst Karin. Sie streichelt sie.

„Bis morgen Früh haben wir noch Zeit, Abschied zu nehmen.“

Kurz vor der Abfahrt, verabschiedet sich Agnes mit einem Küßchen.

„Danke“, sagt sie mit feuchten Augen.

„Gib mir deine Nummer.“

Vom Parkplatz aus ruft Karin, Loisl an.

„Ich komme wieder.“

Loisl steht gerade neben Rolf im Stall. Der freut sich ganz besonders, als er das hört.

Die Heimfahrt kostet wieder ein Vermögen in Karins Augen. Für sie sind einhundert Mark viel Geld. Sie merkt, die Alm scheint ihre neue Heimat zu sein.

Zu Hause, auf der Alm, wartet schon Erna und Lutz. Der holt Karin Unten ab. Erna empfängt Karin mit Loisl zusammen vor der Alm. Arm in Arm. Wie auf ihrem Werbefoto. Beide wirken gelassen, erholt und frisch. Trotz der vielen Arbeit.

Im Gastraum hat Mama – Helga, Egon und Rolf, den Empfang vorbereitet. Ein paar Hausgäste sitzen noch im Raum. Sie applaudieren. Es sind Stammgäste, die Karin bereits kennen.

„Ich freu mich, wieder zu Hause zu sein“, sagt Karin gerührt.

Ende



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