Georg der Klempner

Georg ist Betriebsklempner im Palla in Glauchau. 1990 wird das Kombinat aufgelöst. Georg ist von dem Tag an übrig.

Erst hieß es, der alte Besitzer kommt wieder. Aber daraus wurde wohl nichts.

Die Wohnung seiner Familie ist eine Betriebswohnung. Über Nacht wurde ein Anschreiben ausgehängt. Die Miete vervierfacht sich. Ein Arbeitslosengeld geht allein für die Miete drauf.

Udo, der Sohn, geht in die Lehre. Er möchte auch Klempner werden wie sein Vater.

Anita ist ausgelernte Verkäuferin. Ihr Geschäft, in dem die Erzeugnisse aus Papas Kombinat gehandelt werden, wird geschlossen. Ein Händler aus dem Westen hat Interesse an dem Geschäft. Er lädt die Verkäuferinnen ein zum Vorstellungsgespräch. Anita ist eine schöne sportliche Frau. Sie spielt Federball. Badminton. Ihre Mannschaft ist DDR-Vizemeister.

Sie überlegt noch mit ihrer Mannschaft zusammen, ob sie vielleicht als Profi weiter spielen. Leider finden sich keine Sponsoren. Und wenn, sind die Beträge zu klein als das man davon leben könnte.

Eigentlich hatte sie bereits eine eigene Wohnung. Die hat sie sofort aufgegeben. Auch bei ihr vervierfacht sich die Miete. Sie zieht wieder zu Papa und Mama. Zusammen mit Udo belegt sie ein Kinderzimmer. Das zweite Kinderzimmer muss Georg erst räumen. Das Zimmer hat er als Bastelraum genutzt. Für seine Modelleisenbahn. An den Wänden des Zimmers hängen zehn Urkunden mit Preisen. Georg gewinnt fast jedes Jahr mit seinem Modell den Preis der sächsischen Modelleisenbahner. Glauchau stellt eine sehr starke Sektion. Georg wird oft zu größeren Wettbewerben und Ausstellungen delegiert. Das hat den Haushalt der Familie oft sehr belastet. Er sieht sein Lebenswerk bedroht. Ohne Einkommen, kann er das Wunderwerk nicht mehr betreuen.

Viele, auch aus dem Westen, haben von seinem Modell gehört. Sie klingeln ständig an seiner Tür und geben reichlich Gebote. Keins davon bezahlt die wahre Leistung, die in diesem Modell steckt.

„Das ist der Marktpreis“, sagen ihm Interessierte.

„Für Sammlerstücke gibt es keinen Marktpreis“, antwortet stets Georg.

Georg wollte sich nicht unbedingt trennen von dem Eisenbahnmodell. Freunde aus seiner Sektion boten im Platz an. Kostenlos. Keiner konnte Zusagen geben, wie lange das so bleibt. Georg hat angenommen. Für Anita. Er bemüht sich trotzdem um einen Ersatz. Die Zeit hat ihn vorsichtig gemacht.

Der Klempnermeister, bei dem Udo lernt, braucht dringend Klempner. Investoren wollen die neu gekauften Wohnungen neu einrichten. Sie versprechen sich damit höhere Mieteinnahmen. Zumal sie eine Flut an Westbeamten erwarten.

Viele Investoren bringen ihre Montagegruppen mit. Das sind meist Ausländer, die bedeutend billiger arbeiten als die deutschen Kollegen. Kaum Einer von Denen spricht Deutsch. Sie unterhalten sich nur gruppenweise untereinander. Jede Nation für sich. Der Chef von Udo möchte das nicht. Aber das legt einen Zwang auf den kleinen Betrieb. Er muss die Westbesatzer unterbieten. Genau das, wollen die auch erzwingen. Trotzdem bekommt die Firma oft Aufträge. In der DDR wurde anders gebaut. Mit einem anderen System. Genau da, kennen sich DDR Monteure aus. Die Anderen nicht. Der Lohn Georgs reicht gerade für die Miete. Die Nebenkosten rechnet bereits Marina ab. Udo gibt Etwas dazu. Jetzt kommt noch Anita. Es geht scheinbar aufwärts.

Georg meldet sich bei Konrad, dem Chef von Udo. Konrad stellt ihm die Westsysteme vor. Kupfer und Edelstahl. Mit Kupfer hat Georg schon gearbeitet. Das Edelstahlsystem muss er noch lernen.



Eine Antwort zu „Georg der Klempner”.

Hinterlasse einen Kommentar